Unter dem Deckmantel des Umweltschutzes

Ein Grüner JNF?


Vor einigen Jahren beantragte der US-amerikanische Ableger des Jüdischen Nationalfonds, als Berater in den UNO-Rat für Wirtschaft und Soziales (ECOSOC) aufgenommen zu werden. In einem den Antrag begleitenden Unterstützerbrief wird der JNF USA in den höchsten Tönen für seinen Umweltschutz gelobt: Der JNF USA sei ein globaler Führer in Umweltfragen mit einer ausserordentlichen Geschichte von 240 Millionen Baumpflanzungen und 180 erbauten Wasserreservoirs. [...] Seine einzigartigen Fähigkeiten in Sachen Aufforstung und Wasserhaushalt würden Entwicklungs- wie Industrieländern zugutekommen.

Doch der JNF USA wurde abgewiesen. Die GegnerInnen der Aufnahme begründeten ihr Nein damit, dass der JNF USA und der in Israel ansässige JNF/ KKL so eng miteinander verknüpft seien, dass man ihre Aktivitäten nicht auseinanderhalten könne. Da der JNF/KKL eine offen diskriminierende, parastaatliche Institution sei, könne der JNF USA nicht eindeutig als Nichtregierungsorganisation (NGO) bezeichnet werden. (http://www.stopthewall.org/es/node/4525) Diese Zurückweisung war ein herber Rückschlag für den JNF/KKL. Seit Langem hatte er grosse Anstrengungen unternommen, um international als Umweltorganisation wahrgenommen zu werden.

Wer sich auf den Homepages der verschiedenen JNF/KKL-Länderbüros umschaut, wird dies schnell feststellen. Als „Israels älteste Umweltorganisation“ rühmt man sich da, der JNF/KKL sei ein „globaler Führer in Sachen Umweltschutz mit einer jahrhundertelangen Erfahrung, die den JNF dazu befähigt, an der Spitze einer Kampagne für ökologische Verantwortung zu stehen.“ An anderer Stelle bietet die „103 Jahre alte internationale Umweltorganisation mit mehr als 50 Büros rund um die Welt“ gleich selber eine Lösung für den globalen Klimawandel an: „Berechnen Sie Ihren persönlichen CO2-Fussabdruck, und dann gleichen Sie ihn aus, indem Sie Aufforstungsprogramme in Israel unterstützen.“ In enger Zusammenarbeit mit der israelischen Regierung wurde versucht, das Image des JNF/KKL dem Zeitgeist anzupassen.

Fragen zu Klimawandel, Umweltschutz und nachhaltigen Ressourcen haben in den letzten Jahren weltweit an Bedeutung gewonnen. Für eine Organisation wie den JNF/ KKL, die sich seit ihrer Gründung mit Land- und Forstwirtschaft sowie Wasserfragen beschäftigte, lag es demnach nahe, ihre Tätigkeit unter das Label des Umweltschutzes zu stellen. VertreterInnen des JNF/ KKL nahmen 2002 am UNO-Weltnachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg als Mitglieder der offiziellen israelischen Delegation teil. 2004 wurde der JNF/KKL von der UNO als NGO akzeptiert und aufgenommen. Der damalige Vorsitzende des JNF/KKL, Yehiel Leket, schrieb in einer Pressemitteilung: „Den UN-Status zu erhalten, bedeutet, dass der Jüdische Nationalfonds mehr universelle Anerkennung und Ansehen auf der internationalen Bühne erhält. Dass andere Länder uns in den Vereinten Nationen akzeptieren, gibt unseren Bemühungen in Sachen Wasser, Umwelt und nachhaltige Entwicklung mehr Legitimität.“ In schöne Worte verpackt, formulierte Leket hier das zentrale Ziel des JNF/KKL: Anerkennung und Legitimität für die eigenen Methoden und Handlungen sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart.

Indem man die Tätigkeiten in den Bereichen Wasser, Umwelt, Aufforstung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellt, wird der Kontext, in dem sich diese Tätigkeiten bewegen, ausgeblendet. Besatzung, Vertreibung, bewusste Diskriminierung der PalästinenserInnen – all das geht unter in der Propaganda des „Umweltschutzes“. In derselben Absicht bemühte sich der JNF/KKL um internationale Forschungszusammenarbeit mitUniversitäten und anderen wissenschaftlichen Institutionen. So veranstaltete die kanadische Provinz Manitoba im August 2008 in Kooperation mit dem JNF/KKL ein Wassersymposium, 2010 fand die zweite solche Veranstaltung in Israel statt. Daraus hat sich seither eine kontinuierliche, enge Zusammenarbeit zwischen akademischen Instituten beider Länder entwickelt.

Ein anderes Projekt ist ein deutsch-israelisches Programm für UniversitätsabgängerInnen mit dem Namen „greenXchange“, das vom JNF/KKL initiiert wurde und nach eigenen Angaben „die Grundlage für eine innovative Zusammenarbeit im Umweltbereich zwischen Israel und Deutschland darstellen soll“. Doktoranden aus Deutschland mit Know-how in Bezug auf Umweltthemen werden nach Israel eingeladen, um Forst- und Bewässerungsprojekte zu bestaunen und daran mitzuarbeiten. Es lässt sich nicht bestreiten, dass einige der Projekte des Jüdischen Nationalfonds durchaus umweltschützerische Aspekte haben: Mit der Anlage von Wäldern können Desertifikation (= Ausbreitung der Wüste) und Erosion eingedämmt werden. Werden in Landwirtschaft und in der Bewässerung moderne Erkenntnisse der Agronomie und Geologie einbezogen, wird der Boden weniger ausgelaugt oder Wasserquellen werden nicht überstrapaziert.

Doch diese Projekte machen den Jüdischen Nationalfonds noch lange nicht zu einer nachhaltig denkenden und handelnden Umweltorganisation. Denn daneben fördert der JNF/KKL seit 1948 Projekte, die für die Umwelt schädigende, ja sogar zerstörerische Folgen haben. Ausserdem relativieren sich zum Beispiel die Baumpflanzungen des JNF/KKL, wenn man bedenkt, dass gleichzeitig Zehntausende von alten Olivenbäumen im besetzten Westjordanland ausgerissen wurden und wenn man weiss, dass die meisten gepflanzten Bäume keine einheimischen Baumsorten sind. Dasselbe gilt für den Bereich Wasser: Der JNF/KKL spielt sich als fortschrittliche Organisation auf, die nach technischen und praktischen Lösungen für die Wasserverteilung sucht, während gleichzeitig palästinensische Dörfer systematisch vernachlässigt werden. Ein Grossteil der Wasserreserven des Westjordanlandes wird für die Landwirtschaft im israelischen Kernland abgezweigt (siehe auch Amnesty-International-Bericht „Durstig nach Gerechtigkeit“).

Der Carmel-Waldbrand 2010

Folge unökologischer Forstmethoden Die meisten der angeblich 2,4 Millionen Bäume, die der JNF/KKL seit seiner Gründung gepflanzt hat, sind Nadelbäume, hauptsächlich Kiefern. Diese Baumarten sind jedoch im Nahen Osten nicht heimisch. Einheimische Baumarten sind etwa der Feigenbaum, der Maulbeerbaum, der Johannisbrotbaum, niedrige Eichen und natürlich der Olivenbaum. Zu Hunderttausenden wuchsen Olivenbäume überall im Land, bildeten die Existenzgrundlage der meisten palästinensischen Bauernfamilien. Und während der JNF/KKL Kiefern pflanzt, werden seit Jahrzehnten Olivenbäume ausgerissen, sei es, um israelischen Bauprojekten (Siedlungen, Apartheidmauer, Checkpoints, Strassen etc.) Platz zu machen oder als Kollektivstrafe für Aktionen palästinensischer Widerstandsorganisationen. Allein seit 2009 wurden im Westjordanland 160 000 Olivenbäume ausgerissen (siehe Bild in der nächsten Spalte).

Anstelle der einheimischen Vegetation entstanden so im letzten Jahrhundert Dutzende von Wäldern, die eher in eine europäische Landschaft passen als in den Nahen Osten. Manche dieser Wälder sind eigentliche Monokulturen, künstlich angelegt und

Ein Siedler bewacht die Zerstörung eines palästinensischen Oliven­hains. Über eine halbe Million Olivenbäume wurden in den letzten zehn Jahren durch israelischn Zivilisten und Streitkräften entwurzelt oder vernichtet. Der Olivenbaum spielt seit hunderten von Jahren eine zentrale Rolle in der palästinensischen Wirtschaft. Aber durch israelische Eingriffe droht dem Olivenbau das Aus. Quelle: Al-Jazeera

hauptsächlich aus einer Baumart bestehend. Manchmal (z. B. in Wäldern um Jerusalem) kamen die nicht einheimischen Bäume schlecht mit dem palästinensischen Klima klar. Viele Setzlinge des JNF/KKL überleben nicht und müssen immer wieder umgepflanzt werden. An manchen Orten haben die gesetzten Nadelbäume heimische Pflanzen verdrängt und das Ökosystem völlig durcheinandergebracht.

Einer dieser Wälder liegt am Hang des Carmel-Bergs, südlich von Haifa. Auf dem Boden des 1948 zerstörten Dorfes Al Tira liess der JNF/KKL Hundert-tausende von Bäumen setzen und half damit, den Carmel-Nationalpark zu errichten. Weil die Landschaft der Flora der Schweizer Alpen glich, nannte man den Park auch „Little Switzerland“, zu Deutsch „Kleine Schweiz.“ Die gepflanzten Nadelwälder sind allerdings viel anfälliger für Waldbrände als andere Wälder. Von 167 Brandherden der letzten 60 Jahre lagen über 45 Prozent in Gebieten, die hauptsächlich aus Nadelbäumen bestehen. Auch als Ende 2010 im Carmel-Nationalpark der schlimmste Waldbrand in der israelischen Geschichte wütete, waren vor allem die vom JNF/KKL gepflanzten Parks aus leicht brennbaren Pinienwäldern betroffen. Experten des Mount Carmel Research Center an der Universität Haifa warnen davor, neue Bäume zu pflanzen, um die natürliche Regeneration des Ökosystems zu ermöglichen und eine erneute Brandgefahr zu minimieren. Vertreter des JNF/KKL hingegen haben bereits eine Million US-Dollar mobilisiert, um die Fläche schnellstmöglich wieder zu bepflanzen. Dazu erklärte Omri Gal, Sprecher der Israel Nature and Parks Authority, die die Carmel-Region verwaltet, dass das Ziel seiner Behörde der Naturschutz sei, während der JNF/KKL eine politische Agenda verfolge.

Die Trockenlegung des Hula-Sees

Während der 50-er Jahre, Der Hulatal und dessen See für Agrarflächen trockengelegt mit entäuschenden Ergebnissen für Bauern und katastrophalen Umweltschäden für den Tiberiassee. Viele einheimische Spezies verschwanden von der Region. Heute gibt es wieder einen kleineren See.

Ein konkretes Beispiel für den kurzsichtigen, interessengesteuerten Umgang des JNF/KKL mit der Umwelt und der indigenen Bevölkerung ist der Hula-See im Norden Israels. Nördlich des Tiberias-Sees (auch See Genezareth genannt) gelegen, war er über Jahrtausende das Herzstück eines Sumpfgebietes mit einer einmaligen Pflanzen- und Tierwelt. Der See galt als einer der ältesten Süsswasserseen der Welt und war für den Jordanfluss als Zuflussgebiet und als Filter von grosser Wichtigkeit. Das Feuchtgebiet war jedoch auch ein Hort der Malariamücke, weshalb schon um 1900 die Idee der Trockenlegung auftauchte.

Anfang des 20. Jahrhunderts, also in osmanischer Zeit, fielen die Eigentumsrechte des ganzen Gebiets an einen libanesischen Händler. Dieser verkaufte sein Land 1933 in einer finanziellen Notlage der Palestine Land Development Company (PLDC), eine mit dem JNF/KKL verbandelte Organisation. JNF/KKL und PLDC hatten die Absicht, das Sumpfgebiet völlig auszutrocknen, um damit erstens landwirtschaftlich nutzbares Land zu gewinnen, zweitens der Malariamücke den Lebensraum zu entziehen und drittens Wasser für andere Projekte zu gewinnen. Der erste Schritt dazu war, die arabischen BewohnerInnen des Gebietes loszuwerden. Nach und nach entstanden 18 jüdische Siedlungen, die in zähem juristischem Ringen versuchten, die dort ansässigen PalästinenserInnen zu verdrängen. Nach über einem Jahrzehnt hartnäckigen Widerstandes seitens des Stammes der Ghawarina, der seit Langem in und von den Sümpfen lebte, wurden die PalästinenserInnen 1947/48 auf militärischem Weg praktisch vollständig vertrieben.

Nun hatte der JNF/KKL, der nach der Gründung Israels die Oberaufsicht über dieses Gebiet hatte, freie Hand bei der „Entwicklung“ des Hula-Gebietes. Ohne sich über die Folgen Gedanken zu machen, begannen 1953 die Arbeiten zur Trockenlegung. Nach fünf Jahren war sowohl der See als auch ein Grossteil der Sümpfe ausgetrocknet. Erst jetzt begannen sich die Konsequenzen dieses Eingriffs in die Natur zu zeigen. In einer Studie des Geografen Moshe Inbar von 2002 (A Geomorphic and Environmental Evaluation of the Hula Drainage Project, Israel) werden die katastrophalen Auswirkungen umrissen: Dieses von Menschenhand gemachte Projekt markiert das Ende eines der ältesten dokumentierten Seen und Feuchtgebiete der Geschichte, mit einer reichen, vielfältigen Flora und Fauna

Die landwirtschaftliche Entwicklung des gewonnenen Landes blieb erfolglos, die Böden waren von ständigen unterirdischen Feuern beeinträchtigt. Verwitterte Torfböden ohne deckende Vegetation waren durch den Wind der Erosion ausgesetzt. Ein weiterer ökologischer Effekt war die Freisetzung von Nährstoffen durch den zersetzenden Torf. Die Nährstoffe wurden im Jordanfluss in den eutrophen See Genezareth getragen ...

Mit anderen Worten: Die an die Sumpflandschaft angepasste Tierwelt verlor ihren Lebensraum, die Böden laugten aus und erodierten, die Nährstoffe gingen „den Bach runter“, weshalb die Ernteerträge auch in der weiteren Umgebung abnahmen. Die Wasserqualität des Jordanflusses und folglich auch des Sees Genezareth nahm ab. Aus diesen Gründen sahen sich der JNF/KKL und die israelische Regierung gezwungen, etwas gegen diese Entwicklungen zu unternehmen. In den 1990er-Jahren wurde der ehemalige See zumindest teilweise wiederhergestellt. Die Sümpfe werden nie wieder ihren alten Zustand erreichen. Aber Flora und Fauna scheinen doch sehr beharrlich zu sein: Langsam holen sie sich ihren alten Lebensraum zurück.